Als am 28.01.1966 eine etwa 50-jährige Frau bei einem Ladendiebstahl am Wilshire-Boulevard- Los Angeles- ertappt und bis zum Eintreffen der Polizei festgehalten wurde, war dies wohl ein neuerlicher schmerzhafter Tiefpunkt im Leben der ehemaligen Hollywood-Diva und schönsten Frau der Welt, Hedy Lamarr. Ihr wechselhaft, vielschichtiges Leben lässt sich wie ein Kaleidoskop der Kultur- Film- und Technikgeschichte des 20. Jahrhunderts lesen.
Als Hedwig Maria Kiesler am 9.Nov. 1913,1914 oder 1915 zur Welt kam (beide Eltern jüdischer Herkunft, Vater der aus Lemberg stammende geschäftige Direktor der Wiener Creditanstalt Emil Kiesler, Mutter, die aus Budapest stammende ausgebildete, den Beruf allerdings nie ausübende Konzertpianistin Gertrud Kiesler geb.Lichtwitz), tobte gerade der „Grosse Krieg“ im alten Europa. Dieser schreckliche, das bisherige Europa grundlegend verändernde Krieg, wurde schon Jahre zuvor von der damaligen neuen Kunst- und Kulturbewegung der Futuristen (Marinettis Gründungsmanifest des Futurismus erschien 1909 in Paris) gefordert.
Sie verstanden den Krieg und den Tod im Krieg als Katharsis der bürgerlichen Gesellschaft und sahen im Tod auf dem Schlachtfeld die höchste ästhetische Vollendung der Kunst. Dieser neuen revolutionären Kunstrichtung, die formal einen Zusammenschluss von Leben (alltäglichen Lebensumständen) und künstlerischer Ver- und Bearbeitung dessen, forderte, schlossen sich viele Schriftsteller, Musiker, Maler, Architekten, Theaterschaffende und Aktionisten an. U.a. auch der aus Trenton/New York stammende Pianist und Komponist George Antheil, dessen 1926 uraufgeführtes Werk „Ballet mecanique“ ein großer Skandal, der Saaltumulte zur Folge hatte, war.
In formaler Hinsicht scheiterte Antheil aber bei der Umsetzung dieser rhythmisch äußerst exakten und handwerklich hervorragenden Komposition für 16 Pianolas, zwei Flugzeugturbinen, Propeller und großem Schlagwerk, an der Unmöglichkeit, die Frequenzen der 16 Pianolas zu synchronisieren.
Hedwig Kiesler brach ihre Schulbildung ab, da ihr Schulweg sie an den Sascha- Filmstudios (einer der Teilhaber an der Sascha Filmprod. Gesellschaft war ihr späterer Mann und Chef der „Hirtenberger Patronenfabrik“ Fritz Mandl) in Sievering vorbeiführte, in denen im Jahr 1930 gerade der erste österreichische Tonfilm „Geld liegt auf der Strasse“ mit Rosa Albach-Retty und Hans Moser (Regie: Georg Jacoby) gedreht wurde und sie als Filmbegeisterte als Scriptgirl anheuerte und auch mit einer Nebenrolle betraut wurde.
Es folgte ein weiterer Film (Sturm im Wasserglas) und alsbald wurde man auch in Berlin auf die junge Schauspielerin aufmerksam und engagierte sie für die Hauptrolle in der Zeitsatire „ Man braucht kein Geld“ neben Heinz Rühmann. In der New York-Times (der Film lief unter dem Titel „ His Majesty, King Ballyhoo“ auch in den USA) stand zu lesen: “The Girl, who neatly demonstrates that German and Austrian movie actresses need not necessarily all be Marlene Dietrich.“ In Berlin fundierte sie ihr schauspielerisches Talent, indem sie Unterricht bei Max Reinhardt nahm, der sie auch in zwei seiner Inszenierungen einsetzte (Das schwache Geschlecht und Private Lives).
Nach weiteren Filmrollen wurde ihr, sie war 17 Jahre jung, die Hauptrolle in Gustav de Machatys (Prager Regisseur) Film „Ekstase – Symphonie der Liebe“ angeboten.